Aus dem Leben eines Angsthasen Teil 1
Es begann vor ziemlich genau 16 Jahren. An einem Samstag abend, als ich mit meinem damaligen Lebensgefährten bei Urlaubsbekannten zu Besuch war, bekam ich aus völlig heiterem Himmel alle Symptome eines Herzinfarktes. Ich hatte mit 25 Jahren das erste Mal Todesangst und mein Freund brachte mich damals ins Krankenhaus, wo die Untersuchungen keinen körperlichen Befund ergab.
Damit begann meine Ärzte- und Klinikodyssee. Die Attacken trafen mich unregelmäßig und mit unterschiedlichen Ausprägungen und ich rannte von Arzt zu Arzt, ohne dass mir jemand wirklich helfen konnte. Alle Untersuchungen, und es gab so ziemlich keine, die ich nicht über mich ergehen lassen mußte, blieben ohne Ergebnis. Mancher Arzt war einfühlsam und überwies mich an weitere Spezialisten, andere Ärzte stellten mich als Hypochonder hin. Die Aussagen, dass ich körperlich völlig gesund war, paßten überhaupt nicht zu meinem Gefühl, dass ich ständig müde und abgeschlagen war, dass ich Herzrasen bis hin zu Herzrhytmusstörungen hatte, dass mir ständig schwindelig und schlecht war und ich kaum wußte, wie ich mich auf den Beinen halten sollte.
Es hat 3 Jahre gedauert, bis mein damaliger Internist zu dem Schluß kam, dass mein Leiden psychosomatisch bedingt ist. Er schickte mich daraufhin zu einer Kur in eine psychosomatische Klinik ins Saarland. Dort kam ich während meines 10-wöchigen Aufenthaltes das 1. Mal mit Psychotherapie in Berührung. Und ich gewann die wichtige Erkenntnis, dass ich weder verrückt bin und mir das nicht nur alles einbilde und vor allen Dingen, dass ich mit dieser Erkrankung nicht allein auf dieser Welt bin, was ich bis dahin wirklich dachte. Mein Anspruch, dass ich mich nur zu diesem Klinikaufenthalt durchringen mußte, damit die Ärzte meine Seele wie einen Beinbruch "heilen" würden, erwies sich schnell als Illusion. Aber zum damaligen Zeitpunkt war meine Verzweiflung einfach riesengroß und ich wußte es einfach nicht besser.
Die Jahre danach waren von der Frage nach dem "Warum" geprägt. Es war mir wichtig zu verstehen, was da mit und in mir passierte. Und ich machte mich auf der Suche nach der/den Ursache(n). Ich wollte dieses Dilemma nämlich möglichst schnell wieder loswerden ( der nächste fatale Irrtum ) und mein ehemals aktives Leben, das durch meine Angst immer mehr eingeschränkt wurde, wieder aufnehmen.
In vielen Therapiestunden, im Austausch mit anderen Betroffenen und durch jede erdenkliche Lektüre habe ich mich selbst stückweise begriffen. Und ich habe Punkte in meinem Leben gefunden, die aus mir das gemacht haben, was ich war/bin. Ich habe verstanden, dass die Angst zum Leben dazugehört und machte mich auf, einen Weg zu finden, mit meiner Angst umzugehen und mich nicht völlig von ihr vereinnahmen zu lassen. Das gelang mir mal besser und mal weniger bis gar nicht.
In meiner schlimmsten Zeit vor 6 Jahren konnte ich nicht mal mehr meine Wohnung verlassen, weil mich die Attacken mehrmals am Tag inzwischen auch in meiner Wohnung heimsuchten, wo es mir bis dahin immer "gut" ging und ich mich "sicher" fühlte. Zu dem Zeitpunkt erschien mir selbst der Weg zum Briefkasten oder in den Keller unüberwindbar.
Ich landete in einer Klinik im Siegerland, in der ich mit enormer Kraftanstrengung lernte, mir mein Leben in ganz kleinen Schritten "zurückzuerobern". Ich kehrte noch zwei Mal in diese Klinik zurück ( das letzte Mal vor nunmehr 3,5 Jahren ) und mit jedem Aufenthalt gewann ich ein Stück meines Selbstvertrauens zurück. Auch wenn ich keinen Tag frei bin von irgendwelchen vegetativen Symptomen ( z.B. Schwindel, Herzklopfen, Atemnot und Unruhe ) und ich immer noch viele Einschränkungen erfahre, habe ich in der Zeit einiges bewegt und so manches, was auch für "Nichtangsthasen" schwierig ist ( z.B. der Verlust meines Arbeitsplatzes, die Umsetzung meiner Selbständigkeit, die Erkrankung und der anschl. Tod meines Bruders ), "überlebt". Schwierig sind nach wie vor viele Dinge, insbes. die, die Spaß machen wie z.B. Ausgehen, Kino- oder Theaterbesuche und für einen Urlaub wieder in ein Flugzeug zu steigen, wie ich es früher so gerne getan habe, ist immer noch undenkbar.
"Richtige" Attacken sind sehr selten geworden und liegen schon lange zurück. Trotzdem gibt es Phasen und Momente, in denen es mir sehr schlecht geht, wie z.B. die vergangenen 3 Monate, in denen mich eine "neue" Art Schwindel richtig von den Beinen holt und mich vermehrt Atemnot plagt. Ich leide zwar keine Todesängste mehr, aber das Gefühl, meinen Körper nicht "kontrollieren" zu können, wiegt nicht sehr viel leichter.
Seit 2 Monaten bin ich bei einem neuen Arzt in Behandlung. Er ist sehr einfühlsam und gründlich und nimmt sich Zeit. Die Blut- und Urinuntersuchungen vor 8 Wochen ergaben ( nicht zum 1. Mal ) div. Ungereimtheiten. Einige Entzündungswerte sind nicht o.k., die Blutsenkung und der Leberwert erhöht und im Urin fanden sich Blut und Eiweiß. Die Nachuntersuchung nach Ausheilen meines gripp. Infektes 4 Wochen später ergab keine wesentliche Besserung. Zwecks Ursachenforschung überwies er mich zu einem Radiologen, der am vergangenen Mittwoch einen Ultraschall von Leber, Nieren usw. machen sollte.
Auch nach so vielen Jahren Angst- und Therapieerfahrung ist es für mich immer wieder erstaunlich, wie sehr mein Körper bei solchen Dingen reagiert. Die Anmeldung an der Rezeption der riesigen Radiologie-Praxis bekam ich noch gut hin, auch wenn es mir schon morgens beim Aufstehen schwindelig war. Kaum saß ich im Wartezimmer, verschlimmerte sich der Schwindel zunehmend. Dem ( seit langem mal wieder auftauchenden ) Impuls, die Praxis fluchtartig zu verlassen, konnte ich widerstehen, zumal ich sehr schnell ins Behandlungszimmer aufgerufen wurde. Während ich auf der Liege auf den Arzt wartete, konnte ich mich auch wieder etwas entspannen.
Herr Doktor machte div. Aufnahmen von meinem Innenleben und unterstrich diese mit für mich unverständlichem Gemurmel. Er stellte eine "bucklige" Niere ( was immer das auch heissen mag ) fest und rief mir bereits im Herausgehen nur lapidar über die Schulter zu, dass er mich zwecks Ausschluß eines Tumors ins CT schicken wollte und ich mir an der Rezeption einen neuen Termin geben lassen sollte. Dass mir in Erinnerung an meinen Bruder ( sein Tumor wurde kommenden Mittwoch vor genau 4 Jahren diagnostiziert ) sofort die Tränen in die Augen schossen und mein Herz für einen Moment stillstand, bekam er schon nicht mehr mit.
Heute morgen sollte also der Termin für das CT sein. Auch wenn ich versucht habe, die vergangenen 4 Tage meinen Verstand einzuschalten und mich damit zu beruhigen, dass es "nur" eine Kontrolle ist, hatte ich die schlimmsten Gedanken und konnte mich nur schwerlich davon ablenken. Das Einschlafen gestern abend ging noch halbwegs, aber heute um 3 Uhr war meine Nacht zu Ende. Ich habe es nicht geschafft, mich der Gedankenspirale "Was ist, wenn....." zu entziehen. Alle Entspannungstechniken, die ich im Laufe der Jahre gelernt habe, halfen nicht und ich war um 6 Uhr so fertig, dass ich mich entschloss, den Termin zu verlegen. Auch wenn ich weiß, dass Davonlaufen die denkbar schlechteste-, nämlich KEINE "Lösung" ist und ich es mir selbst damit nur schwerer mache, konnte ich mich erst nach dem Anruf in der Praxis wieder beruhigen.
Meine "Schonfrist" für das CT beträgt genau eine Woche, aber schon am Donnerstag steht meine nächste, große Herausforderung an. Da habe ich nämlich einen Termin beim Zahnarzt und weiß schon jetzt, dass mein Körper mich wieder daran erinnern wird, dass er sich einfach nicht kontrollieren läßt. Nicht, dass ich Angst vor der Behandlung hätte, denn alle in der Praxis sind sehr nett und kennen mein "Problem". Es ist einfach mal wieder die Angst vor meinen Symptomen und vor der Angst, die ich bis dahin hoffentlich auf ein erträgliches Maß reduzieren kann.
Damit begann meine Ärzte- und Klinikodyssee. Die Attacken trafen mich unregelmäßig und mit unterschiedlichen Ausprägungen und ich rannte von Arzt zu Arzt, ohne dass mir jemand wirklich helfen konnte. Alle Untersuchungen, und es gab so ziemlich keine, die ich nicht über mich ergehen lassen mußte, blieben ohne Ergebnis. Mancher Arzt war einfühlsam und überwies mich an weitere Spezialisten, andere Ärzte stellten mich als Hypochonder hin. Die Aussagen, dass ich körperlich völlig gesund war, paßten überhaupt nicht zu meinem Gefühl, dass ich ständig müde und abgeschlagen war, dass ich Herzrasen bis hin zu Herzrhytmusstörungen hatte, dass mir ständig schwindelig und schlecht war und ich kaum wußte, wie ich mich auf den Beinen halten sollte.
Es hat 3 Jahre gedauert, bis mein damaliger Internist zu dem Schluß kam, dass mein Leiden psychosomatisch bedingt ist. Er schickte mich daraufhin zu einer Kur in eine psychosomatische Klinik ins Saarland. Dort kam ich während meines 10-wöchigen Aufenthaltes das 1. Mal mit Psychotherapie in Berührung. Und ich gewann die wichtige Erkenntnis, dass ich weder verrückt bin und mir das nicht nur alles einbilde und vor allen Dingen, dass ich mit dieser Erkrankung nicht allein auf dieser Welt bin, was ich bis dahin wirklich dachte. Mein Anspruch, dass ich mich nur zu diesem Klinikaufenthalt durchringen mußte, damit die Ärzte meine Seele wie einen Beinbruch "heilen" würden, erwies sich schnell als Illusion. Aber zum damaligen Zeitpunkt war meine Verzweiflung einfach riesengroß und ich wußte es einfach nicht besser.
Die Jahre danach waren von der Frage nach dem "Warum" geprägt. Es war mir wichtig zu verstehen, was da mit und in mir passierte. Und ich machte mich auf der Suche nach der/den Ursache(n). Ich wollte dieses Dilemma nämlich möglichst schnell wieder loswerden ( der nächste fatale Irrtum ) und mein ehemals aktives Leben, das durch meine Angst immer mehr eingeschränkt wurde, wieder aufnehmen.
In vielen Therapiestunden, im Austausch mit anderen Betroffenen und durch jede erdenkliche Lektüre habe ich mich selbst stückweise begriffen. Und ich habe Punkte in meinem Leben gefunden, die aus mir das gemacht haben, was ich war/bin. Ich habe verstanden, dass die Angst zum Leben dazugehört und machte mich auf, einen Weg zu finden, mit meiner Angst umzugehen und mich nicht völlig von ihr vereinnahmen zu lassen. Das gelang mir mal besser und mal weniger bis gar nicht.
In meiner schlimmsten Zeit vor 6 Jahren konnte ich nicht mal mehr meine Wohnung verlassen, weil mich die Attacken mehrmals am Tag inzwischen auch in meiner Wohnung heimsuchten, wo es mir bis dahin immer "gut" ging und ich mich "sicher" fühlte. Zu dem Zeitpunkt erschien mir selbst der Weg zum Briefkasten oder in den Keller unüberwindbar.
Ich landete in einer Klinik im Siegerland, in der ich mit enormer Kraftanstrengung lernte, mir mein Leben in ganz kleinen Schritten "zurückzuerobern". Ich kehrte noch zwei Mal in diese Klinik zurück ( das letzte Mal vor nunmehr 3,5 Jahren ) und mit jedem Aufenthalt gewann ich ein Stück meines Selbstvertrauens zurück. Auch wenn ich keinen Tag frei bin von irgendwelchen vegetativen Symptomen ( z.B. Schwindel, Herzklopfen, Atemnot und Unruhe ) und ich immer noch viele Einschränkungen erfahre, habe ich in der Zeit einiges bewegt und so manches, was auch für "Nichtangsthasen" schwierig ist ( z.B. der Verlust meines Arbeitsplatzes, die Umsetzung meiner Selbständigkeit, die Erkrankung und der anschl. Tod meines Bruders ), "überlebt". Schwierig sind nach wie vor viele Dinge, insbes. die, die Spaß machen wie z.B. Ausgehen, Kino- oder Theaterbesuche und für einen Urlaub wieder in ein Flugzeug zu steigen, wie ich es früher so gerne getan habe, ist immer noch undenkbar.
"Richtige" Attacken sind sehr selten geworden und liegen schon lange zurück. Trotzdem gibt es Phasen und Momente, in denen es mir sehr schlecht geht, wie z.B. die vergangenen 3 Monate, in denen mich eine "neue" Art Schwindel richtig von den Beinen holt und mich vermehrt Atemnot plagt. Ich leide zwar keine Todesängste mehr, aber das Gefühl, meinen Körper nicht "kontrollieren" zu können, wiegt nicht sehr viel leichter.
Seit 2 Monaten bin ich bei einem neuen Arzt in Behandlung. Er ist sehr einfühlsam und gründlich und nimmt sich Zeit. Die Blut- und Urinuntersuchungen vor 8 Wochen ergaben ( nicht zum 1. Mal ) div. Ungereimtheiten. Einige Entzündungswerte sind nicht o.k., die Blutsenkung und der Leberwert erhöht und im Urin fanden sich Blut und Eiweiß. Die Nachuntersuchung nach Ausheilen meines gripp. Infektes 4 Wochen später ergab keine wesentliche Besserung. Zwecks Ursachenforschung überwies er mich zu einem Radiologen, der am vergangenen Mittwoch einen Ultraschall von Leber, Nieren usw. machen sollte.
Auch nach so vielen Jahren Angst- und Therapieerfahrung ist es für mich immer wieder erstaunlich, wie sehr mein Körper bei solchen Dingen reagiert. Die Anmeldung an der Rezeption der riesigen Radiologie-Praxis bekam ich noch gut hin, auch wenn es mir schon morgens beim Aufstehen schwindelig war. Kaum saß ich im Wartezimmer, verschlimmerte sich der Schwindel zunehmend. Dem ( seit langem mal wieder auftauchenden ) Impuls, die Praxis fluchtartig zu verlassen, konnte ich widerstehen, zumal ich sehr schnell ins Behandlungszimmer aufgerufen wurde. Während ich auf der Liege auf den Arzt wartete, konnte ich mich auch wieder etwas entspannen.
Herr Doktor machte div. Aufnahmen von meinem Innenleben und unterstrich diese mit für mich unverständlichem Gemurmel. Er stellte eine "bucklige" Niere ( was immer das auch heissen mag ) fest und rief mir bereits im Herausgehen nur lapidar über die Schulter zu, dass er mich zwecks Ausschluß eines Tumors ins CT schicken wollte und ich mir an der Rezeption einen neuen Termin geben lassen sollte. Dass mir in Erinnerung an meinen Bruder ( sein Tumor wurde kommenden Mittwoch vor genau 4 Jahren diagnostiziert ) sofort die Tränen in die Augen schossen und mein Herz für einen Moment stillstand, bekam er schon nicht mehr mit.
Heute morgen sollte also der Termin für das CT sein. Auch wenn ich versucht habe, die vergangenen 4 Tage meinen Verstand einzuschalten und mich damit zu beruhigen, dass es "nur" eine Kontrolle ist, hatte ich die schlimmsten Gedanken und konnte mich nur schwerlich davon ablenken. Das Einschlafen gestern abend ging noch halbwegs, aber heute um 3 Uhr war meine Nacht zu Ende. Ich habe es nicht geschafft, mich der Gedankenspirale "Was ist, wenn....." zu entziehen. Alle Entspannungstechniken, die ich im Laufe der Jahre gelernt habe, halfen nicht und ich war um 6 Uhr so fertig, dass ich mich entschloss, den Termin zu verlegen. Auch wenn ich weiß, dass Davonlaufen die denkbar schlechteste-, nämlich KEINE "Lösung" ist und ich es mir selbst damit nur schwerer mache, konnte ich mich erst nach dem Anruf in der Praxis wieder beruhigen.
Meine "Schonfrist" für das CT beträgt genau eine Woche, aber schon am Donnerstag steht meine nächste, große Herausforderung an. Da habe ich nämlich einen Termin beim Zahnarzt und weiß schon jetzt, dass mein Körper mich wieder daran erinnern wird, dass er sich einfach nicht kontrollieren läßt. Nicht, dass ich Angst vor der Behandlung hätte, denn alle in der Praxis sind sehr nett und kennen mein "Problem". Es ist einfach mal wieder die Angst vor meinen Symptomen und vor der Angst, die ich bis dahin hoffentlich auf ein erträgliches Maß reduzieren kann.
_Mo - 29. September, 11:57